Wie
sehen Sie die momentane Situation in der wissenschaftlichen
und in der praktischen Sportpsychologie?
Die wissenschaftliche Sportpsychologie sollte sich vermehrt
am praktischen Nutzen für den einzelnen Sportler/Trainer orientieren.
Bei den Publikationen wäre es wünschenswert den Transfer von
der Theorie zur Praxis klarer hervorzuheben.
Die praktische Sportpsychologie trifft heute vor allem im
Spitzensport auf einen ambivalenten Zustand. Auf der einen
Seite widerspricht niemand dem Slogan "der Sieg reift im Kopf".
Sportler und Trainer sind sich der Wichtigkeit des mentalen
Trainings voll bewusst. Auf der andern Seite nimmt aber das
mentale Training im Trainingsbetrieb, wenn überhaupt, nur
einen kleinen Platz ein. Erst bei aussergewöhnlichen Situationen
("sportliche Notfälle") ist der Sportpsychologe als Feuerwehrmann
eine kurze Zeit erwünscht. Da der Erfolg der sportpsychologischen
Intervention nicht messbar ist, ist der Sportler/Trainer nicht
bereit die Kosten einer längerfristigen Betreuung auf sich
zu nehmen. Ein weiteres Problem liegt in der Verwechslung
der beiden Begriffe "Psychologie" und "Psychiatrie". Noch
immer lehnen Sportler die Hilfe eines Sportpsychologen mit
der Begründung ab, "sie seien doch nicht krank".
Unterstreichen möchte ich diese Aussagen mit den Ausführungen
von Ottmar Hitzfeld, der Bedenken hat mit mentalem Training
zu arbeiten: "Die Medien würden das leicht falsch verstehen
und schnell von spirituellen Sitzungen oder sonstigem Hokuspokus
sprechen - da ist der Schaden möglicherweise grösser als der
Nutzen"(Sportjournal, 1995).
Wie
sehen Sie die Perspektiven?
Langsam fangen die Aufklärungsarbeiten einzelner SASP-Mitglieder
zu fruchten. In ferner Zukunft könnte die Sportpsychologie
bei entsprechendem Engagement der Mitglieder hoffähig werden.
Da es zur Zeit immer noch zu wenig Klienten gibt, wandern
gut ausgebildete Sportpsychologen in andere Bereiche ab, um
ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sportpsychologie wird
von ihnen in der Freizeit oder im Nebenamt betrieben. Oft
kann deswegen die Nachfrage vor Ort nicht befriedigt werden.
Es ist ein Teufelskreis, dem man kaum entrinnen kann. Es sei
denn, die Verbände leisten auch in der Sportpsychologie vermehrt
Pionierarbeit und schaffen sportpsychologische Stellen.
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