Inwiefern wenden Sie in der Praxis psychologische Trainingsformen an?

Psychologische Trainingsformen bedeuten für mich, einzelne Elemente und Übungen geistig durchzuturnen. In entspannter Stellung (liegend oder sitzend) und mit geschlossenen Augen lasse ich den geistigen Film abspielen, unter Berücksichtigung sämtlicher Details. Die so produzierten Bilder gelangen ins Unterbewusstsein. Kunstturnen ist eine sehr komplexe Sportart. Für das Gelingen eines Elementes ist es beispielsweise notwendig, die Steuerung der Beine in die Richtung zu veranlassen, während die Arme gleichzeitig eine völlig andere Bewegung auszuführen haben. Die vielen Faktoren im Kunstturnen können nicht alle vom Bewusstsein gesteuert und kontrolliert werden. Deshalb speichere ich Bilder und Abläufe im Unterbewusstsein, um diese dort auf Abruf bereitzuhalten. Auf diese Weise kann ich mein Bewusstsein an Wettkämpfen lediglich auf die Körperhaltung und -spannung lenken, während das Unterbewusstsein die eigentliche Bewegungsführung der einzelnen Elemente übernimmt.

Ohne mentales Training müsste man zudem die einzelnen Elemente tausend Mal turnen, was gar nicht möglich ist. Man lernt also auch viel schneller mittels mentalen Training, weshalb ich dieses auch während des Trainings in der Turnhalle als Vorbereitung auf das jeweilige Gerät einsetze. Mit mentalem Training simuliere ich auch Siegesgefühle im Hinblick auf einen entscheidenden Wettkampf. So antizipiere ich beispielsweise meine Finalteilnahme am Pferdsprung an den letztjährigen Weltmeisterschaften und sah mich dabei bereits auf dem Siegespodest stehen.